Pressemitteilung

02.08.2005 Umstrittene Forderung nach Absenkung der Ausbildungsvergütung. Sind Lehrlinge zu teuer? Karlsruhe - Weniger Geld für Lehrlinge: Die von hochrangingen Vertretern der deutschen Wirtschaft geäußerte Forderung stößt in der

Kann man von 270 Euro im Monat leben?

Karlsruhe 02.08.2005 - Weniger Geld für Lehrlinge: Die von hochrangingen Vertretern der deutschen Wirtschaft geäußerte Forderung stößt in der Technologieregion Karlsruhe vor allem auf Skepsis.

Der Präsident des Deutschen Industrie- Handelskammertags (DIHK), Ludwig Georg Braun, hatte in der Tageszeitung "Die Welt" die Einführung einer bundesweiten Basisvergütung für Lehrlinge von 270 Euro im Monat vorgeschlagen, um die Ausbildungsbereitschaft vor allem in kleineren Unternehmen zu fördern. Hintergrund ist die angespannte Situation auf dem Ausbildungsmarkt (ka-news berichtete). Zurzeit fehlen in Deutschland rund 170.000 Lehrstellen. Das sind 8.000 mehr als im vergangenen Jahr. Im Ausbildungspakt hat sich die Wirtschaft verpflichtet, in diesem Jahr 30.000 zusätzliche Lehrstellen anzubieten. Tatsächlich schrumpfte das gemeldete Angebot bis Juli aber um zehn Prozent auf 405.000.

Handwerk sieht keinen Handlungsbedarf

Der Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer Karlsruhe, Gerd Lutz, sieht in der Kürzung der Ausbildungsvergütungen die falsche Lösung der Lehrstellenproblematik. "Das duale System würde an Attraktivität verlieren", gibt Lutz zu Bedenken. "Die leistungsstärkeren Bewerber würden nicht mehr den Weg in das Handwerk finden." Auch die Bereitschaft, sich an anderen Orten zu bewerben, würde drastisch sinken: "Wenn man sich die hohen Benzinpreise und die gestiegenen Preise im Öffentlichen Personennahverkehr anschaut, dann könnten die Auszubildenden bei derart geringem Einkommen ihre Mobilität nicht mehr finanzieren."

Lutz sieht für das Handwerk in der Region Karlsruhe zudem keinen Handlungsbedarf: "So wie es aktuell aussieht, werden wir auch in diesem Jahr wieder einen Zuwachs an Lehrstellen haben." Das Handwerk leiste seinen Beitrag, so der Hauptgeschäftsführer weiter, um die Situation auf dem Ausbildungsmarkt zu entspannen. "Wir halten an unserer Aussage aus dem Vorjahr fest", betont Lutz: "Wir, das Handwerk in der Region Karlsruhe, bieten allen Ausbildungswilligen und Ausbildungsfähigen einen Ausbildungsplatz." Voraussetzung sei allerdings, so Lutz abschließend, dass die Ausbildungsfähigkeit der Bewerber auch tatsächlich gegeben sei.

Velsink: Ausbildung ist mehr als nur ein Kostenfaktor

Auf wenig Gegenliebe stößt der Vorschlag des DIHK-Präsidenten bei der IG Metall. Dass wir eine katastrophale Situation auf dem Ausbildungsmarkt haben ist richtig", sagt der Jugendsekretär der IG Metall Karlsruhe, Christian Velsink, "aber der Vorschlag der DIHK ist nicht tragbar." Eine drastische Senkung der Ausbildungsvergütung würde nach Ansicht von Velsink nicht dazu führen, dass die Unternehmen und Betriebe plötzlich mehr ausbilden: "Die Ausbildungsvergütungen in der Schweiz oder auch in den USA liegen zum Teil deutlich höher", betont der Gewerkschaftssekretär. "Es kann also nicht an der Ausbildungsvergütung liegen, dass die Unternehmen nicht ausbilden oder sogar Lehrstellen abbauen."

Man müsse sich überlegen, so Velsink weiter, ob man zukunftsfähige Ausbildungsplätze wolle oder einfach nur billige Arbeitskräfte. "Ausbildung darf nicht als reiner Kostenfaktor angesehen werden. Unnötige Kosten müssen reduziert werden, aber nicht die existenziellen Ausgaben wie etwa die Ausbildungsvergütungen." Schon jetzt hätten viele Auszubildende einen Nebenjob, erläutert Velsink, "und viele können sich schon jetzt keine Wohnung mehr leisten." Eine Kürzung der Vergütungen würde, so Velsink abschließend, die Mobilität der jungen Leute drastisch einschränken, und damit die Situation auf dem Ausbildungsmarkt weiter verschärfen.

IHK Karlsruhe für größere Flexibilität bei Vergütung

Die Industrie- und Handelskammer (IHK) Karlsruhe spricht sich für eine größere Flexibilität bei der Ausbildungsvergütung aus. Davon würden sowohl Unternehmen als auch Auszubildende profitieren. Insbesondere für Jugendliche, die sich bei der Suche nach einem Ausbildungsplatz schwer tun, würden sich dadurch die Chancen auf einen qualifizierten Berufseinstieg erhöhen. Bei einer flexibleren Handhabung der Ausbildungsvergütung, so die Karlsruher IHK, könnten sicherlich noch zusätzliche Unternehmen als Ausbildungsbetriebe gewonnen werden. Man dürfe auch nicht übersehen, heißt es abschließend, dass für viele kleinere Betriebe die Ausbildungsvergütung eine erhebliche Investition mit ungewissem Ausgang bedeute. (pbd)

Letzte Änderung: 21.11.2007